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Nachhaltiger Konsum im Online-Handel (1/2)

Foto von charles auf unsplash

Anne kauft online eine Bluse, ist sich aber bei der Größe nicht sicher. Daher bestellt sie die Bluse in S und in M – was nicht passt, kann ja zurückgeschickt werden! Im Warenkorb wird sie jedoch darauf aufmerksam gemacht: „Du hast ein Kleidungsstück in zwei Größen im Warenkorb liegen. Können wir dir bei der Auswahl der richtigen Größe helfen?“ Darunter findet sich ein Link zum Größen-Berater.

Ein schönes Beispiel dafür, wie Online-Shops die Retourenquote – und damit die C02-Emissionen des Lieferverkehrs – reduzieren können. In Teil 2 dieses Beitrags soll es um viele solcher kleinen und größeren Maßnahmen gehen, die Nachhaltigkeit im E-Commerce befördern. Teil 1 beschäftigt sich zunächst mit den Hintergründen: mit der Bedeutung des Online-Handels für die Umwelt und mit der Diskrepanz zwischen Absichten und tatsächlichem Verhalten der Verbraucher*innen.

Problematiken des Online-Handels

Welche Relevanz hat der Online-Handel überhaupt für Umwelt und Klima? Der Anteil des E-Commerce am Einzelhandel jedenfalls steigt stetig und weist deutlich höhere Wachstumsraten auf als der stationäre Handel. 2018 lag er in Deutschland bei 10.8 %; für Non-Food sogar bei 14,9 %. Die Hälfte davon entfällt auf die Kernbranchen Mode und Elektronik, andere ziehen aber nach (Quelle: einzelhandel.de).

CO2-Emissionen durch Lieferverkehr und Retouren

Mit dem Online-Handel wächst die Flut an Paketen und damit die Menge der CO2-Emissionen durch den Lieferverkehr. Umso mehr überraschen Studienergebnisse, die darlegen, dass der Online-Handel emissionsärmer sein kann als der stationäre Handel.

Das ist dann zutreffend, wenn als Alternative zur Online-Bestellung die Einkaufsfahrt mit dem PKW gerechnet wird. Für Bewohner des ländlichen Raums, die Anfahrten von mehr als 5 km in Kauf nehmen müssen, lohnt sich die Online-Bestellung ökologisch gesehen also.

Erfolgt der Einkauf hingegen mit dem Fahrrad, zu Fuß oder per ÖPNV schneidet der Versand-Handel im Vergleich schlechter ab. Beim Einkauf im stationären Handel kommt es außerdem viel seltener zum Umtausch und es werden in der Regel mehrere Produkte auf einer Tour gekauft. Umgekehrt schlagen Beleuchtung, Heizung bzw. Kühlung der Verkaufsräume beim Energiebedarf des stationären Handels zu Buche.

Negativ wirken sich hohe Retourenquoten auf die CO2-Bilanz des Online-Handels aus. Die Reduktion des Rückversands ist – neben der Optimierung der Liefertouren – also ein echter Hebel für Verbesserungen.

Verpackungsmüll

Eindeutig auf der Negativseite des Online-Handels ist der Verpackungsmüll zu verbuchen: „Rein rechnerisch produziert jeder Deutsche pro Jahr über 200 Kilogramm an Plastik- und Verpackungsmüll. Jahr für Jahr entstehen in Deutschland über 17 Millionen Tonnen an Verpackungsmüll. Ein großer Teil dieser riesigen Müllmenge wird durch den Online-Handel verursacht.“ (Quelle: paket.net, 2017)

Hyperkonsum

Die ständige Verfügbarkeit aller Waren über das Internet verführt zu mehr Konsum. So lässt der Black Friday ganze Server zusammenbrechen und die Frage „Brauche ich das?“ gar nicht mehr aufkommen. Personalisierte Werbung triggert gezielt das (Einkaufs-)Lustzentrum an und hält uns den Köder immer wieder vor die Nase. Es geht also nicht nur darum, was wir kaufen, sondern auch, wie viel.

Was sagen die Verbraucher*innen?

Vertraut man allein den Umfragen, würde der Handel mit konsequent nachhaltigem Engagement offene Türen einrennen:

  • Immer mehr Verbraucher wollen weniger Verpackungsmüll. 79 Prozent befürworten das neue EU-Verbot und wünschen sich mehr umweltfreundliche Verpackungen. 72 Prozent wählen beim Einkauf bereits bevorzugt Produkte, die möglichst wenig Verpackungsmüll verursachen (Quelle: marktforschung.de).
  • Rund 70 % der Teilnehmer einer Studie von Facit Research geben an, dass die Nachhaltigkeit der Produkte oder des Unternehmens einen mittleren bis starken Einfluss auf die Kaufentscheidung hat, und nur ein Drittel empfindet Nachhaltigkeit als kaum relevant.
  • Für einen kleineren Teil (10%) der Konsumenten, die „Überzeugungstäter“, ist Nachhaltigkeit sogar ein entscheidender Kauffaktor.

Grafik - Kaufentscheidung Nachhaltigkeit, Quelle: Facit Research

Das tatsächliche Kaufverhalten

Die Befragungen zur Einstellung der Kunden stimmen optimistisch. Schaut man allerdings auf das Umsatzvolumen von nachhaltigen Produkten, zeigt sich ein anderes Bild. Mit Ausnahme von einigen Produktgruppen mit hohem Marktanteil ökologischer Produkte (wie Haushaltsgeräte, energieeffiziente Leuchtmittel oder MSC-zertifizierte Fische) ist ihre Bedeutung nach wie vor gering.

Das liegt zum einen am schmaleren Angebot, zum anderen aber daran, dass die Entscheidung im Supermarkt oder im Online-Shop dann doch anders ausfällt als die Absichtserklärung.

Trotz hoher Steigerungsraten lag der Anteil von Bio-Lebensmitteln 2016 in Deutschland gerade einmal bei 5 %, der von Fair-Trade-Kaffee bei 3,8 %. Das ist wenig, selbst wenn man berücksichtigt, dass nachhaltige Kaufentscheidungen auch (und gerade) diejenigen für ein regionales Produkt oder gegen hohen Fleischkonsum sind, die bei den genannten Quoten nicht einrechnet sind. Nachhaltig produzierte Kleidung fällt ebenfalls kaum ins Gewicht. Der Marktanteil von Textilien mit dem GOTS-Label (Global Organic Textile Standard) lag 2017 bei gerade einmal 0,26 % (Quelle: Umweltbundesamt).

Der Trend weist allerdings in eine positive Richtung. Eine breit angelegte Studie in den USA hat gezeigt, dass dort die als nachhaltig vermarkteten Produkte die stärksten Wachstumsraten aufweisen. Und der Imagefaktor Nachhaltigkeit gehört inzwischen für viele Unternehmen zu ihren wichtigsten immateriellen Werten.

Intentions-Verhaltens-Lücke

Trotzdem lässt sich feststellen: Die Aussagen der Verbraucher*innen über Wünsche und Absichten passen nur bedingt zu ihrem Handeln. Das belegt auch eine Untersuchung zum Umweltbewusstsein durch das Umweltbundesamt von 2018. Während umweltbewusste Einstellungen (affektiv, kognitiv) hohe Zustimmungsraten erzielen, fallen die Werte bei den Aussagen über das tatsächliche Verhalten deutlich geringer aus.

Grafik - Umweltbewusstsein in Deutschland

Das verhaltenspsychologische Schlagwort, das dieses Phänomen bezeichnet, lautet „Intentions-Verhaltens-Lücke“ und beschreibt die Tatsache, dass wir häufig daran scheitern, unsere Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Barrieren

Warum klaffen Absicht und Realität oft so weit auseinander? Was sind typische Hindernisse für nachhaltigeres Verhalten beim (Online-)Konsum? Hier sind zwei Gruppen von Faktoren zu nennen. Verstärkt werden diese noch durch das besonders kompetitive Umfeld des E-Commerce, wo die nicht-nachhaltige Alternative nur den sprichwörtlichen Klick entfernt ist.

Markt-bezogene (externe) Faktoren

  • Höherer Preis
  • Schlechtere Sichtbarkeit und geringere Bekanntheit
  • Weniger Angebot, weniger Abwechslung
  • Schlechtere Verfügbarkeit und lange Lieferzeiten

Auf den einzelnen Menschen bezogene (interne) Faktoren

  • Mangelnde Zeit, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen
  • Überforderung, was die Beurteilung angeht
  • Unzureichende Informationsmöglichkeiten
  • Verhaltensroutinen und Gewohnheiten
  • Lebensstile und soziale Normen

Einfacher machen

Die Hebel zur Überwindung der Hindernisse können an unterschiedlichen Stellen in der Customer Journey angesetzt werden. Die These lautet: Nachhaltiger Konsum muss einfacher und attraktiver werden.

Beispiele und Best Practices gibt’s in Teil 2.

 

veröffentlicht am 09.01.2020 | Autorin: Sabine Büttner

Credits: Titel-Photo by Charles on Unsplash